Donnerstag, 17. Juni 2010

Die kleine Schraube

Oder … sing it back on me!

Kennst du das? Ein kleines Elektrogerät, vielleicht ein Wecker. Er steht da auf dem Nachttisch und funktioniert einwandfrei. Aber wenn du ihn anhebst und ein wenig drehst und wendest, gar auf den Kopf stellst – dann hörst du es. Eine leises klicken und klirren. Es ist eine kleine Schraube die lose im Wecker herum fliegt. Wo sie her kommt weiss man nicht so genau, was sie machen sollte auch nicht – aber sie ist da und mit Sicherheit hat sie auch eine Aufgabe. Aber der Wecker funktioniert trotzdem.

Ich bin im Moment so eine kleine Schraube. Neuer Ort, neue Menschen, neuer Arbeitsweg … und dann klirre und klicke ich leise hin und her – auf der Suche nach meinem Ort und meiner Aufgabe.

Schon am Morgen im Tram habe ich das Gefühl eine kleine Gemeinschaft zu stören. Ich stelle mir vor, wie diese Menschen jeden Tag in das gleiche Tram steigen. Der Mann im Anzug sitzt immer vorne an der Türe, da kann er die Beine lang strecken. Die zwei Mädels auf dem Schulweg haben zwei Reihen besetzt, neben ihnen stapeln sich Rucksäcke und Sporttaschen. An der nächsten Haltestelle steigt die junge Frau im Business-Kleid ein. Der Mann an der Tür sieht ihr wahrscheinlich jeden morgen nach und fragt sich, wieso das Tram nicht einmal so voll sein kann, dass sie sich neben ihn setzt. Aber würde er dann den Mut aufbringen sie anzusprechen? Ich bin hier nur der Kommentator aus dem „Off“ – ich hoffe ich bin ein bisschen unsichtbar und starre diese Leute an.

Im Büro dann die Erkenntnis, ich bin nicht unsichtbar. Aber ich bin immer noch eine Schraube ohne Gewinde. Ich kuller durch den Raum an meinen Platz – schmeisse meinen Computer an und schau in mein Postfach. Leer. Meine Dossiers im Gestell. Leer. Meine Pinnwand. Nicht da.

Ich habe gestern eine andere Schraube getroffen. Sie sass auf einem kleinen Treppenvorsprung an der Bushaltestelle. Die Schweizer-Kappe tief ins Gesicht gezogen um sie herum 6 junge Kerle. Sie schimpfen auf sie ein „Man was machsch?“ und äffen sie nach „Das geht dich nichts an!“ – sie betonen die Wörter extra stark, so dass man gleich merkt, dass unter der Schweizer Kappe eine Deutsche stecken muss. Die Jungs finden Gefallen daran, stacheln sich gegenseitig an – schimpfen und lachen hässlich über die Frau. Einer erhebt die Bierdose und lässt den Strahl langsam vor der Frau niederrinnen. Gerade als ich losstürmen will – steht die Frau auf, streckt die Arme in die Luft und singt „Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Board…“. Die Jungs treten zurück, schauen erst etwas dümmlich aus der Wäsche, dann lachen sie und dann ... singen sie mit! Und sie lachen gemeinsam. 5 Minuten Zürich Langstrasse. Ein philosophisches Märchen. Ein verstecktes Gewinde für eine lose Schraube.

Ich überlege ob ich jetzt los singen kann. Ein passendes Lied? Oder besser ein unpassendes? Einfach einen Platz zwischen Monitor und Telefon auf dem Pult suchen, die Arme ausbreiten und los singen „Bring it back, sing it back, bring it back, sing it back to me …“ Eine Discokugel fährt aus der Decke und dreht sich über meinem Kopf, der Raum verdunkelt sich und aus den Wänden scheinen bunte Lichter. Und alle erheben sich und tanzen und singen mit.

Naja – ich arbeite noch an dem Plan.
Aber das Ziel, bleibt das gleiche! Ein tanzendes Büro – so bin ichs mir schliesslich gewöhnt.

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