Mittwoch, 29. September 2010

Wenn ein Gummiboot den Indianer abholt

Oder: Eins, Zwoa, Drei ... G’suffa!

Strähne um Strähne verflechten sich auf dem Kopf der Blondine die Haare zu einer traditionell anmutenden Bauernfrisur. Das Kleid sitzt eng an den Konturen ihrer Figur. Ihre langen Beine stecken in den passenden Schuhen. Das wichtigste ist: sie weiss es! Sie weiss, dass ihr Lächeln den Trunkenbolden den Verstand raubt. Sie weiss, dass ihre junge, naive Art ihr alles ermöglicht an diesem Abend. Und die Männer wissen das auch – ein Mass in der einen, einen guten Spruch in der anderen Hand und der Abend wird glücklich enden, mit einer Unterschrift mehr im Latz.

Wer gedacht hat, beim Oktoberfest geht es nur um Bier & Lebkuchen-Herzn, der hat das Volksfest schwer unterschätzt. Ein Tag auf den Wiesn muss gut geplant sein – ein grosser Dank geht hier an unsern Wiesn-Guide.

Erstes Gebot als Neuling: Ausschlafen und Grundlage schaffen.

Zweite Lektion, der Türsteher. Auch auf die Gefahr hin, dass ich ein offenes Geheimnis verrate: die kann man bestechen. Das Oktoberfest bringt mich an die Grenzen der Legalität. Unser Insider zückt das Handy und ruft seinen Kontakt man an, schnell verschwinden die beiden um die Ecke. Finger werden in die Höhe gestreckt und Scheine wechseln den Besitzer. Zurück kommt er mit einem „Codewort“. Ohne dieses stehen die Chancen um diese Uhrzeit (wir sprechen von Mittags um 3) schlecht. Aber wir haben ihn, den Schlüssel zum Festzelt. Wir drängen mit den Armen voraus durch die Menge, die vor dem Ausgang steht. Voller Euphorie stehen wir zuvorderst und als sich die Tür das nächste Mal öffnet rufen wir dem Türsteher im Innern entgegen: „Dim!“ Er blickt kaum auf und hält es nicht Mal für notwendig uns auszulachen. Alles was er macht, ist die Türe wieder zu schliessen. Ein Raunen geht durch die Wartenden. Dieses Spiel machen wir mehrmals mit, wir schieben die Mädels vor und lassen die Jungs ein böses Gesicht aufsetzen, eine Reaktion bleibt aber weiter ein Wunschtraum. Plötzlich erwischt mich von hinten ein langer, muskulöser Arm. Er drängt mich zur Seite und steht auf einmal vor mir. „Dim“ raunt er durch den Türspalt und verschwindet in der Wärme des Zeltes. Nein! Neid! Wut! Man kann ja nun schlecht rufen „Wir haben dafür gezahlt du Arsch!“, auch wenns mir auf der Zunge liegt.

Nachdem wir uns eine Stunde lang drücken, quetschen, abweisen und letztlich sogar anschreien lassen mussten, geben wir auf. Für den Moment. Wir lauern im Garten vor dem Zelt, bis unser Kontaktmann vorbei schleicht. Unser Patron springt auf und greift ein. Plötzlich dauert es nur noch wenige Minuten bis auch wir endlich von der Wärme des Zeltes aufgesogen werden. Wir sind Teil einer unfassbar grossen Masse, die sich auf Bierbänken und Tischen um den Verstand singt, tanzt und trinkt.

Lektion Drei: die muss man gesehen haben! ;)