Dienstag, 28. Dezember 2010

Kleine sadistische Mädchen

Oder: SSS Schlitten Super Soldiers

Weihnachten kurz und schmerzlos. Einer schnappt die Päckchen unterm Baum, entziffert beim Wegtragen das Namenschild und schiebt es dem Empfänger durch den Raum zu. Kaum hat er sich umgedreht um diese Prozedur zu wiederholen, bis unter dem Baum nur noch Tropfen von heissem Wachs und verdorrte Tannennadeln übrig bleiben, fliegen hinter ihm Fetzen von bunt bemustertem Papier durch die Luft. Kleine Rentiere, die auf naturgebleichtes Papier verbannt wurden, bewegen sich tollpatschig durch die Hitze des Raumes und landen unbeachtet zwischen Couchkissen. Dort bleiben sie liegen, bis sich ein mit Weihnachtsessen vollgestopfter Hintern drauf setzt. Unter dieser Last zieht der Pantone-Rudolpf es vor, sich vor dem Weihnachtsspektakel zu verstecken. Die Schleife, die Rudolf und einen weit weniger hübschen Karton bis anhin verbunden hatte, hat sich in ein zu verachtendes Band verwandelt. Der Charme und die Würde, die die roten, verwebten Fänden durch die kunstvolle Mutation beim Verschlingen zu einer Schleife erlangt hatten, sind längst verflogen. Übrig bleiben hunderte kleiner Falten und die Belanglosigkeit, einfach nur Dekoration gewesen zu sein. Die Fassade ist hinunter, der Bann gebrochen. Auf dem Schlachtfeld steht nun noch die Kavallerie aus glänzenden, herausgeputzten, leuchtenden Stücken. Beobachtet von den gefallenen Soldaten mit glänzenden, bewundernden Augen. Eine besonders kleine Soldatin bahnt sich den Weg durch das Schlamassel. Die kleinen Füsse kommen kaum über die Papierberge hinüber, in einem letzten Versuch wagt ein besonders vorwitziges Geschenkband sich um das Bein zu schlingen. Doch die Soldatin kämpft sich tapfer voran, das Ziel vor Augen. Das schwarze Steuerrad hebt sich unmerklich vom roten Grund ab. Die Aufgabe des kürzlich befreiten Objekts muss ausfindig gemacht werden. Es fehlen Räder und ein Dach, dennoch dient das Vehikel offensichtlich zur Fortbewegung. Wie nur?

Mittwoch, 15. Dezember 2010

E-Mail für Dich!

Ein ganz normaler Bürotag


Gesendet: Fr 03.12.2010 09:21
„Sehr geehrte Partner,

anbei senden wir Ihnen die aktuelle Aktion im Dezember 2010:
Beim Kauf einer Tape Library bis zum 31.Dezember 2010 erhalten Sie eine KOSTENLOSE Advanced Reporting-Lizenz.
Alle Details entnehmen Sie dem Flyer anbei. Für alle Fragen und Auskünfte stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Ihr Ansprechspartner:
XXXX

Einen schönen Tag.
Freundliche Grüsse / Kind regards“



Gesendet: Freitag, 3. Dezember 2010 10:37
„Aiaiai... jetzt fängst du schon an zu spammen :-))
Na, geht’s dir gut? Hier bei der xxx sind alles Deutsche... und ich fall schon wieder in die gleiche Rhetorische Falle :-(

PS.. antworte doch auf xxx

Grüsse,
X“

Gesendet: Freitag, 3. Dezember 2010 11:10
Sehr geehrter Herr xxx,

herzlichen Dank für Ihr Mail. Es tut uns leid, dass sie sich durch unsere exklusiven Informationen belästigt fühlen. Bitte beachten Sie jedoch, den ENORMEN Nutzen, den Sie durch unser Informations-System erhalten und überdenken Ihre Beschwerde noch einmal.

Gerne möchten wir Sie in unserer Adresskartei korrigiert einsetzen, können Sie mir hierzu Ihre neuen Koordinaten zukommen lassen?

Für den retorischen Umgang mit der deutschen Spezies empfehle ich Ihnen: einfach darauf los reden, und alles "kriegen" und "asap fordern" - so fühlt sich die Spezies schnell zuhause und eine schwerfällige Integration im neuen Umfeld bleibt ihr erspart. Geben Sie ihr reichlich Currywurst zur Ernährung und fügen Sie ab und an ein Tröpfchen Bier bei, dann wird sie sich wohlig auf dem Boden wälzen, die Beine von sich gestreckt und heitere Laute von sich geben.

Bis auf weiteres verbleibe ich mit besten Grüsse.
Hochachtungsvoll – MM“



Gesendet: Freitag, 3. Dezember 2010 12:06

„Sehr geehrte Frau xxx

Zuerst möchte ich mich bei Ihnen für Ihr ausführliches Mail bedanken und bestätige Ihnen hiermit, dass Ihr Newsletter für mich einen ENORMEN Nutzen bringt:

- Tägliche Prüfung der Antispam Lösung.

Gerne bestätige ich Ihnen hiermit, dass meine Spamlösung entsprechend funktioniert.

Meine Koordinaten in Ihrem System sind weiterhin korrekt und bedürfen an keiner Anpassung.

Ihre Tipps bezüglich einfacher Integration werde ich gerne austesten und Ihnen mein Feedback weiterleiten.
Dafür habe ich folgende Checkliste erarbeitet:



Bitte um Feedback oder Ergänzungen.

Freundliche Grüsse zur xxx wünscht Ihnen hochachtungsvoll und verbeugend,

M Gustav Heinrich X“


Gesendet: Freitag, 3. Dezember 2010 15:35
„Werter Herr X,

in Vorbeugung weiterer Verbeugungen erwähne ich an dieser Stelle, dass dies durchaus nicht notwendig ist.

Da Sie die Umsetzung Ihrer eigenen Integration in ein germanistisches Umfeld erst zum Ende des kommenden Jahres planen, bitte ich Sie, bis dahin Ihren Aufenthalt unter der Spezies bis auf weiteres von starkem "Eigenverhalten" zu prägen, um eine klare Grenze zwischen den beiden Populationen aufzuzeigen. Mögliche Verhaltensweisen hierfür sind: lautes Ausrufen von spezieseigenen Lauten (zum Beispiel "Chr chr cccchr"), regelmässiges auf- und abstolzieren an den Territoriumsgrenzen und die Kennzeichnung ihres Reviers durch urinieren.

Bitte teilen Sie uns bei Gelegenheit Ihre Forschungsergebnisse mit.

Ein schönes Wochendende,
Prof. MM“

Mittwoch, 24. November 2010

Milly kauft ein

Oder: Weihnachtsgeschenkepanik

Es ist der 24. November, wer es nicht bemerkt hat – es ist jetzt GENAU ein Monat bis Weihnachten. Bei den meisten Menschen löst diese Tatsache lediglich ein behagliches Lächeln aus. Ich allerdings habe gestern Abend vor dem ins Bett gehen, einen Blick unter mein Bett geworfen. Nicht etwa, dass ich dort Monster oder Gespenster vermuten würde, viel mehr hatte ich die Hoffnung, dass sich schon ein oder zwei, in weihnachtliches Papier geschlagene, Pakete darunter verbergen. Im Gegenteil, nicht einmal das Geschenkband aus dem letzten Jahr lies sich finden. Wahrscheinlich habe ich im letzten Jahr gar keines gehabt.

Alles, zu was ich es die Tage gebracht habe, ist, dass ich mir ein eigenes Geschenk bestellt habe. Die neuen Headphones von Marshall. Sündhaft teuer, aber angeblich eine Wohltat für iPod-Stöpsel-geschädigte Ohrwindungen. Grosse, braune Hörmuscheln – die sich bei den kalten Temperaturen wohlig über die Ohren legen und darunter gleichzeitig das Ohr wärmen und mit sanften Schallwellen massieren. Quasi Wellness für unterwegs. Und seit der Bestellung checke ich alle paar Stunden mit meiner Trackingnummer auf der Fedexwebseite, ob sich das Paket schon bewegt hat. Gestern noch war es plötzlich in Stockholm, seit heute früh verweilt es für ein Frühstück in Paris (ich würde es genau so machen, wenn ich könnte).

Bei aller Vorfreude auf mein Ego-Weihnachten überkommt mich allerdings auch ein permanenter Panikschub. Mutter, Vater, Geschwister und Freunde wollen ja auch noch versorgt sein. Was also tun? Ein Einkaufsbummel durch Amazon in der Mittagspause. Ich lege die Füsse hoch und fahre mit dem Einkaufswagen durch die Regale des Onlinestores. Nebenbei kann ich Mittagessen, Lieblingsmusik hören und meinem Chef vorgaukeln, ich würde die Pause durcharbeiten. Allerdings sind die Ideen des Online-Stores auch schon mal besser gewesen, ich bin knapp davor ein Bildband zu bestellen (er wäre aber wirklich schön gewesen) als mich meine Weihnachtsehre wieder einholt. Da muss ich wohl noch mal ran… wenn Väter nicht schon alles hätten und Freunde nicht „nur kleine Geschenke“ machen wollten. Ideen?

Sonntag, 14. November 2010

Ferienzeit (Preview)


Überhaupt, es ist August und alle packen ihre Koffer und Taschen und setzen sich in irgendeinen Flieger, irgendwo hin. Hauptsache nicht da sein, wo man gerade ist.

Betty liegt mit ihrer Freundin Nini am kroatischen Strand. Zwischen Büchern und Frauen-Zeitschriften philosophieren die beiden übers Leben. „Wie pflanzen sich eigentlich Regenwürmer fort?“ ist die Meldung die ich von den beiden zugesimst bekomme. Die Antwort finde ich auf einer bezaubernden Webseite, in der Viertklässler wiedergeben, was sie im Unterricht gelernt haben. Regenwürmer sind eine sehr emanzipierte Spezies. Sie sind Zwitter. Es wird geknutscht, gefummelt und allerlei Regenwurm-Körperflüssigkeiten ausgetauscht – am Ende sind beide Partner schwanger.



Ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn man dieses Prinzip auf Menschen adaptieren würde. Die beste Konsequenz daraus wäre, dass es endlich egal wäre, in wen wir uns verlieben. Ich sehe mich und meinen Phantasie-Traummann auf der Couch sitzen. Beide einen dicken Bauch vor sich. Die Schulterblätter tief in die Kissen gegraben, das Kinn leicht erhoben um über den gewaltigen Bauch hinweg zu sehen. Ich balanciere eine Schale Eiscreme auf meinem Bauchnabel, er einen Teller mit sauren Gurken. Wir lächeln uns an und ich angle mir eine seiner Gurken und lass sie genüsslich durch die Eiscreme gleiten. Während ich das Resultat zu meinem Mund führe greift er schmunzelnd nach meiner Hand und klaut das Gebilde darin um es selbst zu verschlingen. In frühen Morgenstunden würden wir Wettrennen zur Toilette veranstalten und nach der Geburt würde er allen unseren Freunden erzählen wie viel schmerzvoller seine Geburt im Vergleich zu meiner war. Armer Mann. Ich bekomme gerade so viel Mitleid mit meinem Phantasie-Mann, dass ich froh bin, dass die Natur sich für uns Menschen anders eingerichtet hat.

(to be continued)

Mittwoch, 6. Oktober 2010

La Furtüna oder das Glück

"Erleben Sie einen Sommerflirt" verspricht die Webseite auf der ich surfe. Nein, ich bin nicht bei einer dieser unsäglichen Single-Börsen gelandet: sondern bei den Bündnern. Sie haben sich heraus geputzt, die Bewohner der verträumten Alpenregion, aber das war nicht immer so:

Wir befinden uns im Jahre 15 v. Chr. Die Alpen werden mehr und mehr von den Römern besetzt ... die ganzen Alpen? Nein! Ein von unbeugsamen Bündnern bevölkerter Kanton hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Selbst wenn rund umher die lateinische Sprache Einzug hält – beginnen die Bergleute um Heidi und ihren Ziegenpeter herum, sich ihre eigene Sprache auszudenken. Ein Geheimcode - wie ich vermute, denn hört man nicht genau hin, so könnte man glaube sie sprechen italienisch. Aber wenn man die Ohren spitzt und einen Moment innehält so kommt man schnell ins Grübeln.

La furtüna sto per via, chi la piglia e chi passa speravia.*

Die Römer hatten mit Sicherheit genau so viel Freude mit den Bündern, wie mit den Galliern – auch wenns sicher weniger weh getan hat. Immerhin ist dem Bergvolk diese Sprache so sehr ans Herz gewachsen, dass sie bis vor wenigen Jahren noch ihre Schulbücher in 7 (!) Sprachen haben drucken lassen – Deutsch, Italienisch und 5 rätoromanische Schriftdialekte.

Als Besucher überlegt man sich jetzt natürlich zweimal ob man tatsächlich an einen Ort gehen möchte, an dem man einen neuen Sprachkurs belegen muss um einen Kaffee zu bestellen. Aber im Laufe der Zeit haben sich auch Heidis Nachkommen gebeugt und einen wunderbaren Schweizerdeutschen Dialekt angeeignet, bei dem es so manchem „Ausserschweizer“ ein entzücktes Jauchzen aus der Kehle treibt wenn er ihn vernimmt.

* Das Glück steht am Wege; der eine nimmt es, und der andere geht daran vorbei.

Mittwoch, 29. September 2010

Wenn ein Gummiboot den Indianer abholt

Oder: Eins, Zwoa, Drei ... G’suffa!

Strähne um Strähne verflechten sich auf dem Kopf der Blondine die Haare zu einer traditionell anmutenden Bauernfrisur. Das Kleid sitzt eng an den Konturen ihrer Figur. Ihre langen Beine stecken in den passenden Schuhen. Das wichtigste ist: sie weiss es! Sie weiss, dass ihr Lächeln den Trunkenbolden den Verstand raubt. Sie weiss, dass ihre junge, naive Art ihr alles ermöglicht an diesem Abend. Und die Männer wissen das auch – ein Mass in der einen, einen guten Spruch in der anderen Hand und der Abend wird glücklich enden, mit einer Unterschrift mehr im Latz.

Wer gedacht hat, beim Oktoberfest geht es nur um Bier & Lebkuchen-Herzn, der hat das Volksfest schwer unterschätzt. Ein Tag auf den Wiesn muss gut geplant sein – ein grosser Dank geht hier an unsern Wiesn-Guide.

Erstes Gebot als Neuling: Ausschlafen und Grundlage schaffen.

Zweite Lektion, der Türsteher. Auch auf die Gefahr hin, dass ich ein offenes Geheimnis verrate: die kann man bestechen. Das Oktoberfest bringt mich an die Grenzen der Legalität. Unser Insider zückt das Handy und ruft seinen Kontakt man an, schnell verschwinden die beiden um die Ecke. Finger werden in die Höhe gestreckt und Scheine wechseln den Besitzer. Zurück kommt er mit einem „Codewort“. Ohne dieses stehen die Chancen um diese Uhrzeit (wir sprechen von Mittags um 3) schlecht. Aber wir haben ihn, den Schlüssel zum Festzelt. Wir drängen mit den Armen voraus durch die Menge, die vor dem Ausgang steht. Voller Euphorie stehen wir zuvorderst und als sich die Tür das nächste Mal öffnet rufen wir dem Türsteher im Innern entgegen: „Dim!“ Er blickt kaum auf und hält es nicht Mal für notwendig uns auszulachen. Alles was er macht, ist die Türe wieder zu schliessen. Ein Raunen geht durch die Wartenden. Dieses Spiel machen wir mehrmals mit, wir schieben die Mädels vor und lassen die Jungs ein böses Gesicht aufsetzen, eine Reaktion bleibt aber weiter ein Wunschtraum. Plötzlich erwischt mich von hinten ein langer, muskulöser Arm. Er drängt mich zur Seite und steht auf einmal vor mir. „Dim“ raunt er durch den Türspalt und verschwindet in der Wärme des Zeltes. Nein! Neid! Wut! Man kann ja nun schlecht rufen „Wir haben dafür gezahlt du Arsch!“, auch wenns mir auf der Zunge liegt.

Nachdem wir uns eine Stunde lang drücken, quetschen, abweisen und letztlich sogar anschreien lassen mussten, geben wir auf. Für den Moment. Wir lauern im Garten vor dem Zelt, bis unser Kontaktmann vorbei schleicht. Unser Patron springt auf und greift ein. Plötzlich dauert es nur noch wenige Minuten bis auch wir endlich von der Wärme des Zeltes aufgesogen werden. Wir sind Teil einer unfassbar grossen Masse, die sich auf Bierbänken und Tischen um den Verstand singt, tanzt und trinkt.

Lektion Drei: die muss man gesehen haben! ;)

Donnerstag, 5. August 2010

Äpfel, Birnen und Spaziergänge

Oder: was danach passiert.

Ich erinnere mich daran, wie meine Klassenkamerdinnen früher ihre Äpfel in der grossen Pause geteilt haben. Sie bohrten ihre Fingernägel in die Schale, Stück für Stück den ganzen Apfel entlang. Dann drehten sie die Hälften gegeneinander bis der Apfel entzwei sprang und jeder eine Hälfte halten konnte. Genau so fühlte es sich an, als er ging. Mit einem Lächeln streckt er mir eine Hälfte meines Herzen hin …

Mit einem halben Herzen kann man gut leben - spätestens seit es Dr. House gibt glauben wir an diese anatomischen Wunder und es hat Vor- und Nachteile, dieser Zustand.

Es gibt also diesen Morgen an dem ich aufwache, als Single und ich schau in den Spiegel und versuche heraus zu finden was anders ist. Aber ich entdecke nichts. Den ganzen Tag starre ich in meinen Bildschirm, schiebe den Mauszeiger von links nach rechts und überlege – was ich denn nun machen soll. Ein lieber Freund gibt mir einen Rat: schneide dir die Haare. Seine Theorie – eine Frau ist erst über einen Mann weg – wenn sie sich die Haare neu machen lässt. Zurück zum Spiegel – ich drehe die Haarspitzen in den Fingern, halte sie ein wenig hoch, kneife die Augen zusammen und überlege wie mir wohl ein Knall-Rot stehen würde? Letztlich entscheide ich mich dafür den Lockenstab einzuheizen und mich mit einem Lockenkopf zu begnügen.

Ob es hilft? Das weiss ich nicht genau. Ich glaube fast, was wirklich hilft sind die Telefonnummern, die man dann an einem solchen Abend zugesteckt bekommt. Auch wenn man sie nie wählen wird. Oder wenn man sie nur noch einmal ansimst, um in einem schwachen Moment nicht die falsche Nummer zu wählen.

Die falsche Nummer blinkt auf meinem Display. Anruf. Anruf von dem Typen, der mich sitzen gelassen hat? Der, der noch mein halbes Herz in der Hosentasche spazieren trägt. Ich nehme ab, nur um sicher zu sein – dass es meinem halben Herzen dort wenigstens gut geht.

Soweit also zu den Nachteilen.

Aber es gibt auch Vorteile. Der weitaus bedeutendste und grösste Vorteil ist der, dass so ein halbes Herz in der Brust nur noch halb so viel Blut ins Hirn pumpt. Männer kennen das Phänomen, wenn wieder einmal der gesamte Kreislauf unter der Gürtellinie endet. Erst jetzt, nach Jahren von Unverständniss, kapiere ich wie dieser Zustand funktioniert und dass er verdammt angenehm sein kann. Durchaus ist nicht alles was passiert vorrangig positiv, der Zigarillo am Abend ist vielleicht dumm – aber lecker. Genau so der falsche Kuss. Naja, „mach dir keine Birne“. Mach ich nicht – meine Birne ist nur halb funktionstüchtig.

Der Profit vom Vorteil ist, dass man ohne Grenzen im Kopf sehr weit gehen kann. Man kommt an Ecken und Winkel des Lebens, die man sonst vielleicht nie entdecken würde. Was gibt es besseres als an diesen Tagen neue Wege einzuschlagen, verlieren kann ich nichts – aber gewinnen. Weitsicht, Perspektiven, Ideen. Und wie ich da neulich einen Weg so entlang gehe, ein sonniger Samstagnachmittag am See, da stolpere ich plötzlich über mein Herz. Diese jene zweite Hälfte, ein bisschen dreckig – aber sonst eigentlich unbeschädigt.

Dienstag, 20. Juli 2010

Da fehlt doch noch was

Ein Trend (von engl. to trend ‚in einer bestimmten Richtung verlaufen‘ bzw. ‚drehen‘ oder ‚wenden‘) ist ein Instrument zur Beschreibung von Veränderungen und Strömungen in allen Bereichen der Gesellschaft.

Also wenn alle sich in eine Richtung drehen ist das ein Trend? Ich dachte es wäre der Wiener Opernball!

Ein Trend ist das, was der Kunde meint - wenn er im Meeting mit den Fingerspitzen schnalzt und danach mit der Hand wippt und sag: "Es fehlt noch...*schnalz*...wissen Sie?" Und wenn wir ehrlich sind, wir wissen es nicht. Denn so vieles wird einem den ganzen Tag als Trend verkauft. Zahllose Newsletter sprengen mein Postfach. Die Titel dieser wälzen sich in Wortkreativität von „Neu“ über „Jetzt“ bis hin zu „Nicht verpassen!“. Und wenn wir uns davon hinreissen lassen und den Klick ins „Neue“ wagen – werden wir mit nutzlosen Informationen über scheinaktuelle Angebote überflutet.

Es gibt ganz offensichtliche Trends, wie den – wenn man in den Wochen um die Fussball-WM alles etwas grüner, schwarz-weiss gefleckter oder patriotischer gestaltet. Da stört sich dann auch keiner dran, dass es alle machen. Wenn man aber an Weihnachten Christbaumkugeln auf die Karte setzt – dann kommt das Fingerschnipsen wieder. „Schön, aber …“

Wir müssen den Dieter Bohlen in uns suchen. Ein Mann der aus 8 Tönen (wie er selbst sagt) – bis heute einen Hit nach dem anderen zaubert. Dem jährlichen Weihnachten, dem nächsten Mitarbeiteressen oder wieder einmal dem Tag der offenen Türe verleihen wir ein bisschen „Heart“ und noch mehr „Soul“.

Und jetzt, geht’s auf zur SuisseEMEX – wo andere sich den Kopf zerbrechen, damit ich meinem Kunden das Fingerschnippen austreiben kann und stattdessen eine Runde Walzer mit ihm tanzen.

Sonntag, 20. Juni 2010

Trockenshoppen

oder: ... KDH, what?

Andere haben das Problem, dass sie in den ersten Sommerwochen - oder besser in den letzten Wochen vor dem Sommer? – sich selbst auf Diät setzen. Die letzten kleinen Bauchfältchen ausglätten, die Weihnachtssündereien (die wir eigentlich im Mai begangen haben, es immer noch auf Weihnachten schieben) von den Hüften los werden, den platten Kino-Po aus den regnerischen Sonntagen des Frühjahrs wieder in Form bringen.

Bei mir hat eine ganz andere Diät zugeschlagen: die sog. KDH (Kauf Die Hälfte). Mein Portemonnaie blitzblank, mein Konto ächzend vor leere. Verdammt. Ich bin kein Mode-Chick. Nicht etwa abhängig davon, dass Meister H&M mir diktiert mit welchem Paar Hosen ich morgen vor die Tür treten darf. Nein, es ist mehr das Problem, dass man Tag um Tag in Zeitschriften, Schaufenstern und auf Webbannern mit schönen bunten Kleidern konfrontiert wird. Es ist als wäre man auf einer Party mit dem grössten Dinner-Buffet, der feinsten Delikatessen, der grössten Dessertauswahl – aber man hat gerade gestern von seinem Doktor gesagt bekommen, dass man eine Laktose- und Glutenintoleranz hat. Ein Happen und es nimmt dir die Luft zu Atmen. Einmal shoppen und schwubb, das Konto hat einen Asthma-Anfall.

Zu allem Unglück habe ich den Job gewechselt. Nein, nicht das ist das Unglück – viel mehr, dass sich das neue Büro in einem Shoppingcenter befindet. Wir passen da nicht mal rein. Wer setzt schon ein Distributor für Backup- und Storagelösungen in ein SHOPPINGCENTER? Und jetzt schiebt sich jede Mittagspause eine ganze Allee von bunten Kleidergeschäften zwischen mich und meinen Mittagssnack.

Beim umhören und umsehen unter meinen Freundinnen, habe ich drei Möglichkeiten gefunden, mit diesem „Problem“ umzugehen.

Trockeshopping: der älteren Generation eher als Schaufestershopping bekannt. So habe ich Stunden damit verbracht zahlreiche Online-Shops zu durchstöbern. Da sind der Userin heute keine Grenzen mehr gesetzt. Jede Marke, jeder Schnitt, jeder Style findet seinen Platz irgendwo im Web. Ich habe mich Stunden lang als PinUp-Girl verkleidet, meine Business-Kombis aufgewertet und sogar bei IKEA ein Gestell ausgesucht für all die neuen Schuhe, die ich nie besitzen werde.

Fremdshopping: das geht vor allem an die Mädels, die in einer Beziehung stecken. Wenn das eigene Budget nicht ausreicht um sich neu einzukleiden – gehen wir an das Geld unserer Partner. Dies bedarf kleiner subtiler Tricks. Wir wollen sie ja nicht bestehlen oder so.
Also verführen wir sie dazu ihre eigene Garderobe aufzustocken. Wie vorhin erwähnt, manchmal geht es ja nicht mal so sehr darum, selbst das neueste zu besitzen – mehr darum, der Fülle an bunter, neuer Dinge ein zuhause zu geben. Und, dass wir auf dem Weg zur Kasse per Zufall an etwas vorbei laufen, was wir heimlich unter die Sachen unseres Lieblings schmuggel, lässt sich leicht mit einer Entschädigung für die ganze Beratungszeit verargumentieren.

Schatzshopping: dies dauert nur wenige Minuten – hat aber einen unfassbaren Effekt auf unserer Garderobe. Einfach einmal die Türen zum Kleiderschrank öffnen und zwischen den Stapeln und Kleiderbügeln einmal die Kleider heraus zu ziehen – die wir einmal gekauft aber niemals getragen haben. Erstaunlicherweise kann man mit dem Haufen dieser Stücke meistens sich selbst eine ganze neue Persönlichkeit zaubern.


Ich habe alles ausprobiert, es hat wunderbar funktioniert. Die Jeans, die ich mit 17 (!!) gekauft hatte, passt toll zu den Stiefeletten die ich im Frühjahr gefunden hatte. Die Sonnenbrille hatte ich meinem Freund als „super passend“ angedreht – wohl in der Hoffnung, dass er sie einmal bei mir liegen lassen würde. Auf dem Weg, sie ihm zurück zu bringen ist sie mir auf die Nase gerutscht. Oops.

Wegen mir, kann der Sommer jetzt endlich kommen. :)

Donnerstag, 17. Juni 2010

Die kleine Schraube

Oder … sing it back on me!

Kennst du das? Ein kleines Elektrogerät, vielleicht ein Wecker. Er steht da auf dem Nachttisch und funktioniert einwandfrei. Aber wenn du ihn anhebst und ein wenig drehst und wendest, gar auf den Kopf stellst – dann hörst du es. Eine leises klicken und klirren. Es ist eine kleine Schraube die lose im Wecker herum fliegt. Wo sie her kommt weiss man nicht so genau, was sie machen sollte auch nicht – aber sie ist da und mit Sicherheit hat sie auch eine Aufgabe. Aber der Wecker funktioniert trotzdem.

Ich bin im Moment so eine kleine Schraube. Neuer Ort, neue Menschen, neuer Arbeitsweg … und dann klirre und klicke ich leise hin und her – auf der Suche nach meinem Ort und meiner Aufgabe.

Schon am Morgen im Tram habe ich das Gefühl eine kleine Gemeinschaft zu stören. Ich stelle mir vor, wie diese Menschen jeden Tag in das gleiche Tram steigen. Der Mann im Anzug sitzt immer vorne an der Türe, da kann er die Beine lang strecken. Die zwei Mädels auf dem Schulweg haben zwei Reihen besetzt, neben ihnen stapeln sich Rucksäcke und Sporttaschen. An der nächsten Haltestelle steigt die junge Frau im Business-Kleid ein. Der Mann an der Tür sieht ihr wahrscheinlich jeden morgen nach und fragt sich, wieso das Tram nicht einmal so voll sein kann, dass sie sich neben ihn setzt. Aber würde er dann den Mut aufbringen sie anzusprechen? Ich bin hier nur der Kommentator aus dem „Off“ – ich hoffe ich bin ein bisschen unsichtbar und starre diese Leute an.

Im Büro dann die Erkenntnis, ich bin nicht unsichtbar. Aber ich bin immer noch eine Schraube ohne Gewinde. Ich kuller durch den Raum an meinen Platz – schmeisse meinen Computer an und schau in mein Postfach. Leer. Meine Dossiers im Gestell. Leer. Meine Pinnwand. Nicht da.

Ich habe gestern eine andere Schraube getroffen. Sie sass auf einem kleinen Treppenvorsprung an der Bushaltestelle. Die Schweizer-Kappe tief ins Gesicht gezogen um sie herum 6 junge Kerle. Sie schimpfen auf sie ein „Man was machsch?“ und äffen sie nach „Das geht dich nichts an!“ – sie betonen die Wörter extra stark, so dass man gleich merkt, dass unter der Schweizer Kappe eine Deutsche stecken muss. Die Jungs finden Gefallen daran, stacheln sich gegenseitig an – schimpfen und lachen hässlich über die Frau. Einer erhebt die Bierdose und lässt den Strahl langsam vor der Frau niederrinnen. Gerade als ich losstürmen will – steht die Frau auf, streckt die Arme in die Luft und singt „Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Board…“. Die Jungs treten zurück, schauen erst etwas dümmlich aus der Wäsche, dann lachen sie und dann ... singen sie mit! Und sie lachen gemeinsam. 5 Minuten Zürich Langstrasse. Ein philosophisches Märchen. Ein verstecktes Gewinde für eine lose Schraube.

Ich überlege ob ich jetzt los singen kann. Ein passendes Lied? Oder besser ein unpassendes? Einfach einen Platz zwischen Monitor und Telefon auf dem Pult suchen, die Arme ausbreiten und los singen „Bring it back, sing it back, bring it back, sing it back to me …“ Eine Discokugel fährt aus der Decke und dreht sich über meinem Kopf, der Raum verdunkelt sich und aus den Wänden scheinen bunte Lichter. Und alle erheben sich und tanzen und singen mit.

Naja – ich arbeite noch an dem Plan.
Aber das Ziel, bleibt das gleiche! Ein tanzendes Büro – so bin ichs mir schliesslich gewöhnt.

Samstag, 15. Mai 2010

Die Männer-Diät

Oder: bei Anruf Jojo-Effekt


Mit dem Schwamm in der Hand murmle ich einen Fluch nach dem anderen ins Seifenwasser. Und sowieso – wenn er anruft geh ich einfach nicht ran. Oder wenn ich ran gehe bin ich total ungesprächig. Auf jeden Fall werde ich nicht lachen – und wenn er nicht fragt ‚Was los ist‘, dann ist er sowieso das Hinterletzte.

Ist es nicht so? Es geht mir jedes Mal so. Ich nehme mir die fiesesten Sachen vor und setze sie in Gedanken bis ins letzte Detail um. Und es funktioniert auch so wunderbar – in meinem Kopf. Und dann klingelt das Handy. Eigentlich eine halbe Stunde nach der „Frist“ die ich gesetzt hatte. Bis dahin wäre es noch, quasi, fast OK gewesen, wenn er sich meldet –später eigentlich unverzeihlich.

Es ist wie nach dem „Bikini-Check“ im März, wenn wir anfangen den Kühlschrank anzufauchen und uns ganz fest vornehmen – „ab Morgen esse ich nur noch die Hälfte“ und „Schokolade ist jetzt erst mal tabu“. Wir sind willensstark, zielorientiert und bis ins letzte Detail überzeugt davon, dass es klappen wird und wir im Sommer aussehen wie das Girl auf der FHM vorne drauf.

Ok es klingelt. Also mal rangehen (man weiss ja nie, vielleicht ist ja was passiert!!) – „Hm?“ … „Hey Süsse, na alles klar?“ „Hmmhmmm!“ - keiner weiss genau wie die Jungs das machen. Das Gespräch dauert jetzt erst 5 Minuten, eigentlich wollte ich ja NICHTS sagen, oder nur das nötigste. Inzwischen sprudeln die Antworten aber nur so aus meinem Mund und VERDAMMT ist das gerade ein Lachen gewesen? Wirklich?




Ich habs gegooglt – der Erfinder des Handys war ein Mann. Und was für einer, dem ist doch glatt alles zu zutrauen. Wahrscheinlich haben die in die Schallwellenübertragung etwas Hirnmanipulierendes eingebaut. Wie sonst sollte es Funktionieren, dass ich innert Sekunden alle Vorsätze über Bord werfe und GENAU das Gegenteil davon mache. Ich frage mich, ob ich es die ganze Zeit gewusst habe, was passieren wird, wenn das Handy klingelt, hab ich mich selbst manipuliert? Habe ich in meiner Fantasie schon alles so genau gelebt, dass ich es in echt gar nicht mehr umsetzen musste? Auf diese Theorie folgt noch eine viel wichtigere: wissen Männer von diesem Phänomen und rufen drum immer erst eine halbe Stunde nach ihrer fiktiven Frist an?

Es ist eigentlich egal ob das der feste Freund ist, der Typ aus dem Club gestern oder die ewige Affäre – die es gar nicht verdient hat … letztlich funktioniert die Männerdiät bei allen genau gleich. Den meisten Männern kommt diese Fragilität der weiblichen Konsequenz nur gerade recht. Da klingelt nachts um 2 das Handy und all die Vorsätze des Tages verschwinden im schwarzen Loch unseres Bedürfnisses nach Liebe und Geborgenheit. Morgen, morgen werde ich alles ändern. Was die meisten Mädels dabei vergessen: wenn „Morgen“ kommt, ist es plötzlich ein „Heute“ und das nächste „Morgen“ liegt wieder 24 Stunden davon entfernt.

Der Anruf – das Stück Schokolade, das uns Mittags um 3 von dem bescheuerten Job ablenkt, von dem nervenden Kunden oder der unschlagbaren Langeweile. Erst sind wir überzeugt, dass wir es ohne nicht schaffen würden und wenn die braune Masse sich Ihren Weg über den Gaumen zum Magen gebahnt hat, fangen wir wieder an zu Fluchen.

Nichts gegen Schokolade, sie ist toll! Genau wie Männer, die sind auch toll. Man muss nur wissen wie mit ihnen umgehen. Und wer weiss das schon? Mal masslos, mal eine Hass-Liebe, aber manchmal nehme ich eine kleine Ecke der Tafel, lege sie auf die Zunge und lasse sie langsam darauf zerschmelzen – dann verteilt sich der Geschmack in meinem ganzen Mund und alles was ich fühle ist GENUSS.

Ach ja – und wenn es dann August wird, stehen wir im gestreiften Bikini am See und denken „Fuck! – Was wären Frauen ohne Kurven!“ Ich will meine Rippen eigentlich gar nicht vor dem Spiegel zählen können. Ich zähle lieber die Rippchen in der Alufolie meiner Schokoladenpackung.

Freitag, 14. Mai 2010

Grün Grün Grün

.. sind alle meine Kleider, Grün Grün Grün ist alles was ich hab. Sogar McDonald's ist jetzt grün, aber es schmeckt nicht besser - versprochen! Und sowieso, wie echt ist denn so ein grünes Logo überhaupt? Neben den McDonald's Filialen steht seit dem Logo-Re-Brand immer noch der gleiche riesen Kübel voller Pappschachteln und Papierchen. «Grün sein» ist wenigstens besser als «blau sein», oder?

Dabei hat alles so toll angefangen - eines morgends war der Himmel hinter meinem Schlafzimmer-Fenster wieder blau statt grau und bei genauerem Hinsehen konnte man entdecken: der Frühling ist da. Und schon laufen die Telefone heiss, jeder will seinen Apéro vor dem Event ins Freie verlegen. Fliegende Tischdecken, Mücken im Cüpli und Wind im Nacken. Hauptsache die Aussicht stimmt!

Aber es geht noch Grüner, nämlich in dem wir allen erzählen, dass wir nicht nur «im Grünen» feiern sondern auch noch «Grün sind». Keine Mottoparty mit abgefahrenen Kostümen, sondern nachhaltige Events die klimaneutral sind. Klimaneutralität ist aber auch eine Frage des Geldes - mach ich etwas «Dummes» zahl ich einfach dafür. Wenn's im Leben nur immer so einfach wäre. Über die Frau im Bus gelacht? Schnell ein paar Franken in die Karma-Kasse und schon ist nichts passiert. Naja, die Karma-Kasse würde ich mit Sicherheit in Schuhe investieren. Im Gegensatz zu den Klima-Neutral-Gebühren - die werden nämlich weitergeleitet an engagierte Menschen, die Bäume pflanzen und Solarfelder pflegen. Das macht Sinn. Ein bisschen Robin Hood - von den Reichen nehmen und der Umwelt geben.

Schade einfach nur, dass man die Farbe Grün nicht patentieren lassen kann. Denn Grün ist nicht gleich Grün.

Winterzeit

Über Lebkuchen im September muss sich keiner mehr aufregen, das gibt’s schon seit einigen Jahren. Entweder du bist schwach, dann kauf sie eben oder du findest das nicht gut, dann lass es. Irgendwie hat die Weihnachtszeit trotzdem etwas Sentimental-Agressives. In unserem Event-Business dauert Weihnachten ja gute fünf Monate und wenn die Festtage endlich da sind, hat man das Gefühl, alles schon gesehen zu haben. Denn ab September schmeissen wir in der Agentur mit Schlagwörtern wie Schneeschuhlaufen, Glühwein-Apéro oder Iglu-Adventure um uns und versuchen die sommerlich braun gebrannten Geschäftsleitungs-Assistentinnen in unsere Vorwinterliche-Event-Welt zu ziehen.

Nicht selten kommt es bei mir aber vor, dass ich an einem sonnigen Samstagvormittag im Oktober durch die Innenstadt ziehe und die ersten Weihnachtsgeschenke kaufe. Kleiner Tipp: Geschenke nicht einpacken lassen und unter dem Bett verstauen, Monate später gibt das ein wahnsinniges Chaos!

Dass es wirklich langsam auf Weihnachten zugeht erkennen wir im Büro aber daran, dass langsam aber sicher Flash-Schnee auf den Logo-Lettern der Firmenwebseiten landen. Und den Weg in den Büro-Papierkorb finden, statt Ideen-Trash, nur noch Papiertaschentücher und langweilige Weihnachtsgrüsse von beinah unbekannten Geschäftspartnern.

Und unterm liebevoll geschmückten Weihnachtsbaum sage ich schliesslich zu meiner Mutter: „Du, die Give-Aways sind aber nicht schön verpackt, das können wir so nicht abgeben.“

SuisseEMEX'09 - Traumprinz, Traumprints und ein Alp-Traum

Die Türen werden geöffnet, der pinke Teppich ist ausgerollt und Hostessen halten einem Ausstellerkataloge unter die Nase. Alles was man über die Messe wissen muss, auf 130 Seiten ... wann soll ich die nur lesen? Ich lasse die Seiten durch den Daumen gleiten, MICE-Experten, GreenVillage, Twitter-Schulung, EMEX-FORUM, EMEX - N I G H T. Ja, wo die Branche sich trifft kann der Schampus nicht weit sein, oder doch?

Als ich mich abends durch den JIL-Club dränge kommt es mir schon so vor. Verschwitze Ausstellergesichter blicken durstig und müde den gestressten Bedienungen des Clubs hinterher, die versuchen den Weg durch die Menge zu den verhungerten Partygästen am anderen Ende des Raumes zu bahnen. Die ausführenden Kräfte des überforderten Caterings fallen dann gleich mehreren Todsünden zum Opfer: Luxuria, Ira, Gula & Invidia. Man sieht es den Gästen nach, denn ein Tag auf der Messe kann schon sehr anstrengend sein und trotz müder Beine, kann bei der Musik vom EventDJ später keiner still stehen.

Und am nächsten Morgen? Müde Gesichter, wunde Füsse aber das Lächeln sitzt wie angegossen. Und als Besucher lässt sich auch so einiges entdecken. Am Stand von Corbis haben sich die Traumprinzen versammelt, Solarium gebräunt, Zahnpasta lächeln und eine Schärpe, ein Hingucker – ganz klar!



Dennoch trumpft Christinger mit einem Liegestuhl und dem Versprechen von Traumprints, zwei schlagende Argumente für mich als Kunden und die Aussicht auf den (wenn auch gedruckten) Traumstrand ist eine Augenweide. Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Ich stehe auf der Präsentations-Bühne des Hosted-Buyers-Programm, einen Stock über allen anderen Ständen blicke ich auf die Halle hinunter und entdecke die Schweizer MICE Branche ganz neu. Zudem verzückt auch hier ein Mega-Banner mit Ausblick auf die Schweizer Alpen. Ein Alp-Traum,…beinah fühle ich mich wie in den Ferien, mit einem Alptraum aus dem Volksmund hat dies nichts zu tun.

Being cool

Die Reaktion ist eigentlich immer die gleiche: die Augenbrauen erheben sich weit in die Stirn und der Unterkiefer fällt meterweit bis auf Höhe der Kniescheiben nach unten. «Ehrlich, wie cool!» Ja? Wenn ich mich morgens aus dem Bett schäle und mir Minuten später der Zahnpasta-Schaum aus den Mundwinkeln quillt, habe ich nicht gerade das Gefühl, besonders «cool» zu sein. Dennoch, unserer Branche eilt ein Zauber voraus und schmückt jeden kleinen Arbeiter mit Glanz & Gloria.

Eventprofis schimpft man sich - Bürogummis sind wir eigentlich. Wenn wir abends im Freundeskreis durch die Bars ziehen, schaut ein Auge sicher auf die Barkarte - das zweite jedoch wandert unermüdlich durch den Raum. Gute Ideen werden schnell ganz vorne in den Gedanken neben «unbedingt Milch kaufen» und «Tante Lena hat Geburtstag» abgespeichert und beim nächsten Zmittag in der Agentur mit allen ausdiskutiert. So liegt ein trockenes Käsesandwich vor mir, während ich von den leckeren Häppchen beim Blumenhalle Wieder-Eröffnungsevent schwärme. Da gab es einen Schokoladen-Kuchen, von dem keiner die Finger lassen konnte. Gesehen haben wir nur glückliche Gesichter mit den Mundwinkeln voller Kakao-Pulver und der Kellner, der mit dem leeren Tablar an uns vorbei zieht. Schokolade und Frauen, das ist wie die Kompassnadel und der Norden - da passiert etwas, das sich nur mit Naturgesetzen erklären lässt. Und so kommt es, dass wir bei der nächsten Gelegenheit mit wilden Augenaufschlägen und einer zum Schmollen hervorgeschobenen Lippe dem Kellner unseren Schoggi-Entzug schildern und uns damit 2 exklusive Stücke sichern.

Und was ist nun also die Moral von der Geschicht'? Glanz & Gloria gibt es nicht! Nur ein Haufen Anglizismen, ein bisschen gratis Food und am Ende vom Tag quillt einem wieder der Zahnpastaschaum aus dem Mund.