Donnerstag, 5. August 2010

Äpfel, Birnen und Spaziergänge

Oder: was danach passiert.

Ich erinnere mich daran, wie meine Klassenkamerdinnen früher ihre Äpfel in der grossen Pause geteilt haben. Sie bohrten ihre Fingernägel in die Schale, Stück für Stück den ganzen Apfel entlang. Dann drehten sie die Hälften gegeneinander bis der Apfel entzwei sprang und jeder eine Hälfte halten konnte. Genau so fühlte es sich an, als er ging. Mit einem Lächeln streckt er mir eine Hälfte meines Herzen hin …

Mit einem halben Herzen kann man gut leben - spätestens seit es Dr. House gibt glauben wir an diese anatomischen Wunder und es hat Vor- und Nachteile, dieser Zustand.

Es gibt also diesen Morgen an dem ich aufwache, als Single und ich schau in den Spiegel und versuche heraus zu finden was anders ist. Aber ich entdecke nichts. Den ganzen Tag starre ich in meinen Bildschirm, schiebe den Mauszeiger von links nach rechts und überlege – was ich denn nun machen soll. Ein lieber Freund gibt mir einen Rat: schneide dir die Haare. Seine Theorie – eine Frau ist erst über einen Mann weg – wenn sie sich die Haare neu machen lässt. Zurück zum Spiegel – ich drehe die Haarspitzen in den Fingern, halte sie ein wenig hoch, kneife die Augen zusammen und überlege wie mir wohl ein Knall-Rot stehen würde? Letztlich entscheide ich mich dafür den Lockenstab einzuheizen und mich mit einem Lockenkopf zu begnügen.

Ob es hilft? Das weiss ich nicht genau. Ich glaube fast, was wirklich hilft sind die Telefonnummern, die man dann an einem solchen Abend zugesteckt bekommt. Auch wenn man sie nie wählen wird. Oder wenn man sie nur noch einmal ansimst, um in einem schwachen Moment nicht die falsche Nummer zu wählen.

Die falsche Nummer blinkt auf meinem Display. Anruf. Anruf von dem Typen, der mich sitzen gelassen hat? Der, der noch mein halbes Herz in der Hosentasche spazieren trägt. Ich nehme ab, nur um sicher zu sein – dass es meinem halben Herzen dort wenigstens gut geht.

Soweit also zu den Nachteilen.

Aber es gibt auch Vorteile. Der weitaus bedeutendste und grösste Vorteil ist der, dass so ein halbes Herz in der Brust nur noch halb so viel Blut ins Hirn pumpt. Männer kennen das Phänomen, wenn wieder einmal der gesamte Kreislauf unter der Gürtellinie endet. Erst jetzt, nach Jahren von Unverständniss, kapiere ich wie dieser Zustand funktioniert und dass er verdammt angenehm sein kann. Durchaus ist nicht alles was passiert vorrangig positiv, der Zigarillo am Abend ist vielleicht dumm – aber lecker. Genau so der falsche Kuss. Naja, „mach dir keine Birne“. Mach ich nicht – meine Birne ist nur halb funktionstüchtig.

Der Profit vom Vorteil ist, dass man ohne Grenzen im Kopf sehr weit gehen kann. Man kommt an Ecken und Winkel des Lebens, die man sonst vielleicht nie entdecken würde. Was gibt es besseres als an diesen Tagen neue Wege einzuschlagen, verlieren kann ich nichts – aber gewinnen. Weitsicht, Perspektiven, Ideen. Und wie ich da neulich einen Weg so entlang gehe, ein sonniger Samstagnachmittag am See, da stolpere ich plötzlich über mein Herz. Diese jene zweite Hälfte, ein bisschen dreckig – aber sonst eigentlich unbeschädigt.