Oder: wieso
niemand jemals Recht hatte
Jeden Tag
treffen wir unzählige Entscheidungen, die meisten davon, ohne dass wir es
merken. Egal ob wir überlegen die Dusche noch etwas heisser zu stellen oder ob
wir im Kreisverkehr noch schnell vor den blauen Mazda einscheren. Die meisten
Entscheidungen fallen uns leicht, genau darum bemerken wir sie eben auch kaum.
Aber selbst bei den kleinsten Entscheidungen können wir uns nicht sicher sein,
ob sie richtig sind. Gerade versuche ich die richtige Position zu finden, auf
der Couch liegend diesen Blog zu schreiben, zwei von drei Entscheidungen sind
falsch was sich unmittelbar bemerkbar macht. Aber wo genau sitzt unser Zentrum
für falsche Entscheidungen und wie lösen wir es aus?
Manchmal
geht es ja um mehr als nur um die richtige Duschtemperatur. Manchmal
entscheiden wir uns heute und finden erst viel später heraus ob wir richtig
lagen. Und dann ist es eigentlich schon zu spät um überhaupt zu sagen was
richtig wäre. Denn, wir werden nie wissen wie es sich mit einer anderen
Entscheidung gelebt hätte. Das heisst doch im übertragenen Sinne, dass wir
entscheiden können, was wir wollen – es wird nie richtig sein. Zugegeben, diese
Theorie hat ihre Grenzen, aber selbst die sind flexibel. Jeder würde wohl
zustimmen, dass es eine schlechte Idee ist eine Tankstelle zu überfallen,
dennoch passiert das nicht all zu selten. Also wer liegt nun falsch? Wir, da
wir in der Annahme leben, dass es keine gute Entscheidung ist, oder die
anderen, die die Entscheidung treffen und mit deren Konsequenz leben?
Angenommen:
es gibt verschiedene Zentren die unsere Entscheidungen steuern. Kann meiner Meinung
nach das „Wissen“ keines davon sein, denn wir kennen die ja Zukunft nicht. Wir
können nicht wissen was passiert, es sei denn wir bilden ein wissenschaftliches
Experiment unter neutralen Bedingungen nach. Aber was wir dann machen ist eine
Wiederholung der Vergangenheit, kein Schritt in die Zukunft. Dahingegen ist die
„Angst“ wohl eines der meist tangierten Zentren, wenn es um Entscheidungen
geht. Wenn man sich dagegen entscheidet etwas zu tun, dann meistens aus der
Angst vor etwas heraus. Es gibt persönliche Ängste, irrationale Ängste sowie fremdgesteuerte
Ängste. Jede kleine Angst macht unser Universum kleiner. Manche Ängste helfen
uns, keine zu grossen Risiken einzugehen und einige wenige bewahren uns davon
unser Leben zu riskieren, aber alle andern lassen uns schrumpfen. So klein,
dass die Welt um uns herum immer unerreichbarer scheint. „Egoismus“ ist ein
anderes Entscheidungszentrum. Das wohl am schwierigsten begreifbare wenn man
mich fragt. Viele Entscheidungen treffen wir für uns. In einer idealen Welt
macht man genauso viel für sich, wie man für andere tut. Dabei bleibt niemand
auf der Strecke und alle sind glücklich. Aber in der Realität sind wir entweder
gnadenlose Egoisten oder emotionale Krüppel. Selbst wenn es nicht so ist,
finden wir immer eine Person in unserer Nähe die es so sieht. Wieviel Egoismus
also gerade richtig ist, ist undefiniert und genau hier beginnt das
Schlamassel. Wie soll man eine Entscheidung treffen, wenn die Grundlage dazu
gar nicht geschaffen wurde?
Was treibt
uns noch an Entscheidungen zu treffen? Die Zeit, das Geld, unsere
Freundschaften oder unsere Feindbilder? Am Ende sind es doch immer Ängste oder
Egoismen die uns auch dabei treiben. Die Angst die gleichen Fehler zu machen
wie andere oder der Wunsch nach eigenen Bedürfnissen.
Legendär
sind die Filmmomente in denen einer gefragt wird: würdest du es heute wieder so
machen und untermalt von einer tragischen Melodie folgt ein stummes Nicken und
eine herzzerreissende Umarmung. So gerne ich heute bin, wer ich bin, so glaube
ich dennoch, dass ich manche Entscheidung hätte anders fällen können. Was wenn
ich das eines Tages herausfinde, das ich das auch hätte machen müssen?
Liebe Milly
AntwortenLöschenDen Preis einer Entscheidung weiss der geneigte Betriebswirtschafter sogar mit einem Fremdwort zu benennen: Er spricht von Opportunitätskosten, als von der Summe des möglichen Ertrages aller durch den Entscheid nicht gewählten Optionen.
Die Opportunitätskosten, die sich aufrechnen lassen, wenn Du heute früh erneut entschieden hast, die Tankstelle nicht zu überfallen, an der Du jeweils zu Wochenbeginn Deine Karre vollmachst, sind:
- jede Menge Kohle, davon alles steuerfrei
- ein spannendes Leben auf der Flucht
- viele verruchte Männerbekanntschaften im halbseidenen Milieu
- dann schliesslich Verhaftung, Verurteilung, womöglich nicht auf Bewährung bei Anwendung von Waffengewalt
- dann fünf bis zehn Jahre in einer Haftanstalt
- danach herzerweichendes Zusammenkommen mit Exfreund, der mittlerweile der gemeinsamen Coiffeuse zwei Kinder gemacht hat
Klingt eigentlich ziemlich spannend, und ich bin für den Moment ganz froh, dass ich mit ÖV pendele.
Aber eben: Es sind Kosten von nicht wahrgenommenen Opportunitäten, und als solche bleiben sie selbst bei genauer Schätzung letztlich unbestimmt, ein Trugbild, das sich nicht realisiert - und aufgrund der gefällten Entscheidung auch bei späterem Überdenken des Entscheides nicht mehr realisieren werden. Vorbei.
Und das ist dann schliesslich die Antwort auf die letzte aller Fragen: Was, wenn Du eines Tages herausfinden musst, dass Du einen fundamentalen Fehlentscheid gefällt hast? Gar nichts. Der Entscheid bleibt der selbe, und als Fehler tituliert ihn nur Deine heutige Sichtweise. So gibt es in diesem Moment dann genau zwei Handlungsoptionen - und auch diese sind wieder Entscheide: a) es durchziehen oder b) heute eine Option wahrnehmen, die den vergangenen Entscheid wenigstens ein bisschen in die Richtung korrigiert, die Du als die Richtige betrachtest. Wohlgemerkt: Heute betrachtest.